Die Marmorierte Baumwanze erkennen und bekämpfen
Wanzen sind im Allgemeinen weltweit lebende Insekten, welche zum Stamm der Gliederfüßler gezählt werden. Bisher sind etwa 40.000 Arten bekannt, wovon in Mitteleuropa über 1.000 Arten leben. Jede einzelne Art unterscheidet sich von der anderen, jedoch gibt es ein Merkmal, welche alle Wanzenarten gemeinsam haben: der Stechrüssel. Wanzen entwickeln sich aus einem Ei über 5 Larvenstadien hinweg zum Adulttier.
Die Marmorierte Baumwanze
Die Marmorierte Baumwanze ist eine in Ostasien beheimatete Wanzenart, welche in den letzten Jahren zunehmend als Schädling an Wichtigkeit gewinnt. Über Handel und Touristen wurde sie nach Europa eingeschleppt. Die erste Sichtung in Mitteleuropa war in Zürich im Jahre 2004. Im ersten Jahr wurden die Tiere am häufigsten im Spätsommer bzw. Herbst wahrgenommen, denn dort suchen sie an sonnigen Hauswänden ein Überwinterungsquartier. Mittlerweile hat sich die Wanze in ganz Mitteleuropa ausgebreitet und die Population beginnt stark zu steigen. Durch den Populationsanstieg ist sie nun auch ein gefährlicher Schädling für eine Reihe von europäischen Agrarprodukten.
Bedeutung im Südtiroler Obstbau
Die Marmorierte Baumwanze hat das Potential zum bedeutendsten Schädling für die wichtigsten Kulturpflanzen Südtirols zu werden. Südtirol bietet ideale Bedingungen für ihre Vermehrung und zudem ein reichliches Angebot an Nahrung, wie etwa Äpfel, Trauben, Birnen, Pflaumen und Kirschen.
Das erste Exemplar eines adulten Individuums der Marmorierten Baumwanze in Südtirol wurde im Frühjahr 2016 gefunden. Ein Obstbauer aus Naturns fand das Insekt an einem Paraffinölkübel der Firma Bayer. Diese Tatsache ist nicht sehr verwunderlich, denn über Verpackungen bzw. Warentransport gelangte sie überhaupt erst nach Europa. Nach diesem Fund wurden die Bauern aufgefordert intensiver auf diese Wanze zu achten und bald danach folgten weitere Funde im Vinschgau, Unterland, Burggrafenamt und in der Brixner Gegend. Mittlerweile hat sie sich fast im ganzen Land ausgebreitet, denn Südtirol bietet breitflächig gute Bedingungen für ihre Vermehrung.
Schadbild am Apfel
Die Marmorierte Baumwanze verursacht den Schaden hauptsächlich durch ihre Saugtätigkeit an den Früchten und Blättern. Hierbei sticht sie mit den ihr zur Verfügung stehenden feinen, nadelartigen Mundwerkzeugen die Früchte an und beginnt anschließend den Pflanzensaft herauszusaugen. Durch das Heraussaugen des Saftes führt sie zugleich ein körpereigenes Enzym in die Frucht ein, das zur Deformation bzw. zum Absterben der betroffenen Pflanzenteile führen kann. Zudem kann es über die Einstichstellen an den Früchten bzw. Blättern zu Sekundärschäden durch Pilzerreger kommen. Des Weiteren können sich unter den Einstichstellen Verkorkungen bilden. Durch diese verschiedenen Qualitätsschaden können die Äpfel nicht mehr als Tafelware vermarktet werden, was für den Bauer zu erheblichen Verlusten führt.
Bekämpfungsmöglichkeiten
Um die Marmorierte Baumwanze daran zu hindern die europäischen Agrarprodukte zu befallen, müssen Bekämpfungsmöglichkeiten entwickelt werden. Die Erforschung der verschiedenen Bekämpfungsmöglichkeiten steht noch am Anfang. Es gibt mehrere Möglichkeiten bzw. Theorien darüber, wie die Bekämpfung aussehen könnte.
Eine Methode, um den Schaden der Marmorierten Baumwanze zu minimieren, ist die Anpflanzung von sogenannten Fangpflanzen. Diese Bekämpfungsstrategie basiert auf der leicht selektierten Nahrungswahl der Marmorierten Baumwanze: In einem Gebiet, in dem eine Hauptkultur angebaut wird (z.B. der Apfel in Südtirol), wird eine sekundäre Kultur (z.B. Soja oder Sonnenblumen) auf einer geringen Fläche angebaut. Wichtig ist dabei, dass die sekundäre Kultur attraktiver für die Wanze ist. Anschließend kann man die Fangpflanzen mit Pflanzenschutzmitteln behandeln oder die Wanzen mit einem Fangnetz einfangen.
Eine weitere Möglichkeit, die Wanze daran zu hindern den Apfel zu befallen, wäre ein Insektennetz. Eine Voraussetzung für diese Methode ist jedoch das Vorhandensein von Hagelschutznetzen. An denen sollen dann engmaschige Netze angenäht werden, welche das Eindringen von Schädlingen verhindern sollen.
In der integrierten Landwirtschaft zählen chemische Pflanzenschutzmittel zu einem der wichtigsten Methoden zur Bekämpfung von Schädlingen und Krankheiten jeglicher Art. Die im IP-Anbau zugelassenen Pflanzenschutzmittel haben einen sehr niedrigen Wirkungsgrad gegen die Wanze und die Wirkungsdauer ist sehr kurz, weshalb vorbeugende Behandlungen nutzlos sind. Ein übermäßiger Einsatz von Insektiziden, die ohnehin nicht wirken, ist ganz und gar nicht im Sinne der integrierten Produktion und verursacht zusätzliche Kosten.
Natürliche Feinde
Es sind bereits zahlreiche Gegenspieler bekannt, am effektivsten ist jedoch die Wespe Trissolcus japonicus. Anhand gut ausgeprägter Chemorezeptoren folgt sie dem „chemischen Fußabdruck“ der Marmorierten Baumwanze und spürt so deren Ei-Gelege auf. Anschließend legt sie ihre eigenen Eier in die Eier der Wanze hinein, aus welchen Jungtiere schlüpfen, welche anschließend das gesamte Gelege parasitieren. Eine einzige, nur wenige Millimeter große Wespe, kann bis zu 42 Eier befallen. Die Wespe hat zudem noch einen deutlich kürzeren Entwicklungszyklus und kann sich bei 25°C bereits nach 11 Tagen voll entwickeln. Durch diese Eigenschaft können sich viele Generationen pro Jahr entwickeln.
Das Problem dabei ist aber, dass diese Wespe in Europa nicht verbreitet ist und der Import von nicht heimischen Tieren von der EU sehr genau geregelt und kontrolliert wird. Denn die Einfuhr eines solchen exotischen Nützlings könnte zugleich Gefahren für heimische Wanzenarten mit sich bringen.
Zukunftsprognosen
Im Jahr 2016 wurden die ersten Exemplare der Marmorierten Baumwanze in Südtirol gefunden. Jedoch hielt sich der effektive wirtschaftliche Schaden bis dato noch in Grenzen. Mittlerweile hat sich die Wanze aber im ganzen Land ausgebreitet und etabliert. Wann genau und wo eine exponentielle Vermehrung zu erwarten ist, ist noch unklar. In warmen Jahren, wo erhöhter Befallsdruck zu erwarten ist, werden die Obstbauern kurzfristig gezwungen sein, Insektizide einzusetzen. Dieser zusätzliche Aufwand an Insektiziden könnte eine negative Spirale auslösen. Denn Nützlinge werden durch die breitenwirksamen Insektizide geschwächt und dadurch erhöht sich der Druck anderer Schädlinge. Die Methode der Fangpflanzen wird sich aufgrund der geringen und deshalb wertvollen Fläche in Südtirol auch nicht durchsetzen können und das Einnetzen ist mit extrem hohen Kosten verbunden und bei steilem Gelände nicht umsetzbar. Langfristig gesehen ist der Einsatz von natürlichen Gegenspielern die einzige Methode, um die Marmorierte Baumwanze in Schach zu halten; sie bieten den perfekten Schutz gegen die Wanze und verhindern zudem noch den Einsatz von Insektiziden und fördern deshalb eine nachhaltige Landwirtschaft.
Quelle: Spektrum, EPPO Global Database, Südtiroler Beratungsring, SuedtirolNews, Wikipedia, Bild: Fondazione Edmund Mach
CATARINA GRUBER GENETTI
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